Herunter- und hochfahren – wie Engadin Bus die Corona-Krise überwindet

Der Lockdown im Frühling 2020 markiert auch bei Engadin Bus ein Ereignis für die Geschichtsbücher. Doch der Südbündner Busbetrieb manövrierte besser durch die Krise als viele andere ÖV-Anbieter und verzeichnete im Hochsommer sogar mehr Fahrgäste als im Vorjahr. Wie sie die Krise persönlich erlebten und was sich durch sie nachhaltig verändert, berichten der Betriebsleiter Andi Cortesi und der Chauffeur Simon Tschumper coronakonform.

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Andi Cortesi, Leiter Betrieb Engadin Bus: «Die Solidarität zu spüren, war ein positiver Aspekt der Krise.»

«Bei vielen ÖV-Anbietern machte Corona und der Lockdown im März 2020 eine grösseren Blitz-Übung nötig: Quasi über Nacht musste ein reduzierter Fahrplan aus dem Hut gezaubert werden. Bei uns ging das vergleichsweise einfach: Wir mussten bloss vier Wochen früher als vorgesehen auf den Zwischensaisonbetrieb umstellen. Wenn improvisiert werden muss, kommt uns die schlanke Organisation im Unternehmen besonders zugute.

Rasch handeln mussten wir auch, als der Engadin Skimarathon 2020 wenige Tage vor dem Start abgesagt wurde. Wir planen den Transport der über 10’000 Teilnehmenden und des Publikums jeweils von langer Hand. Eigens fürs Marathonwochenende mieten wir rund 35 Fremdbusse und Chauffeure aus anderen Teilen der Schweiz an. Die Bus-Partner zeigten sich zum Glück alle solidarisch und verrechneten trotz der kurzfristigen Absage nichts. Und auch der Skimarathon beteiligte sich an unseren Unkosten.

Den Zusammenhalt und die Solidarität zu spüren, das war ein positiver Aspekt der Krise. Für manche unserer Mitarbeitenden war der Lockdown keine einfache Zeit. Gewöhnlich nutzen sie die Zwischensaison für Ferien. Nun sassen sie im Tal fest und es gab kaum etwas zu tun. Mehrere Mitarbeitende kamen auf mich zu und fragten, wo sie mitanpacken könnten. Der Bedarf an Freiwilligenarbeit war im Oberengadin aber gering. Von einem Chauffeur weiss ich, dass er der Spitex helfen konnte, Mahlzeiten auszuliefern.

Für mich persönlich, so darf ich sagen, war der Lockdown eine sehr gute Zeit. Plötzlich keine zeitraubenden Meetings und Anlässe mehr. Von einem Tag auf den anderen Tag entschleunigte sich mein Lebensrhythmus. Ich genoss die Ruhe im engen privaten Kreis und konnte draussen in der Natur meine Batterien aufladen.

Zum Glück fiel der Lockdown im Frühling 2020 weitgehend mit der Zwischensaison zusammen. Im Juni konnten wir den Betrieb wie gewohnt wieder hochfahren. Da alle Events und Summercamps ausfielen und wir kaum Extrafahrten hatten, war bei uns organisatorisch weniger los als sonst im Sommer. Im Linienverkehr lagen die Fahrgastzahlen im Juni und Juli zwar noch leicht unter jenen im Vorjahr. Im August und September 2020 haben wir das Passagieraufkommen des Vorjahres allerdings sogar übertroffen. Das ist, soweit ich weiss, schweizweit einzigartig.

Simon, wie hast du als Chauffeur die Stimmung im Lockdown und den besonderen Sommer 2020 erlebt?»

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Simon Tschumper, der Chauffeur: «Am Steuer wird es über Corona hinaus ruhiger»

«Es war schon speziell, als es plötzlich hiess: ‹Skigebiete zu! Fast alles zu!› und wir früher als gewohnt im Zwischensaison-Fahrplan unterwegs waren. Statt Buszufahren kompensierte ich Überstunden aus der Hochsaison und hatte danach Ferien. So verbrachte ich diesen Frühling überwiegend mit meiner Frau und meinen Kindern. Wir unternahmen daheim in Samedan Spaziergänge und zogen uns in unserer Alphütte oberhalb von Stampa zurück. Dieses private Refugium im Bergell genossen wir dann auch im Sommer ganz besonders. Abgesehen von den eingeschränkten Kontakten – speziell zu den Verwandten in Österreich – hat sich in der Krise mein Leben kaum verändert.

Bei Engadin Bus kam für uns Chauffeure zunächst die Schutzmassnahme, dass wir die vorderste Bustüre nicht mehr öffnen und im Bus keine Billette mehr verkaufen durften. Dadurch änderte sich aber nicht viel, denn in der Zwischensaison fahren ja fast nur Einheimische mit uns und die lösen selten Tickets im Bus, weil sie Abos haben. Deutlicher spürten wir, dass Homeoffice angesagt war. Der Bus blieb aber weiterhin wichtig für jene Pendlerinnen und Pendler, die in den Lebensmittelläden und im Gesundheitswesen arbeiten.

Im Sommer war ja dann der Billettverkauf mit Schutzmaske wieder möglich. Die Maske dafür kurz auf- und abzusetzen war kein Problem. Beim Fahren verzichtete ich aber lieber darauf, denn mit Maske beschlagen sich rasch die Gläser meiner Brille. Als sich ab Juni die Busse wieder zu füllen begannen, kam teilweise ein leicht mulmiges Gefühl auf. Aber die Fahrgäste hielten sich bis auf ganz wenige Ausnahmen gut an die Maskenpflicht.

Gewöhnlich sitzen wir Chauffeure am Feierabend ab und zu auf ein Bierchen zusammen. Das machen wir bis auf Weiteres nicht mehr. Immerhin sehen wir Fahrerinnen und Fahrer uns noch in der Mittagspause. Wir haben einen grossen Tisch, an dem es möglich ist, im kleinen Kreis unter Einhaltung der Abstandsregeln zu essen.

Obwohl die Krise inzwischen quasi Alltag ist, nehme ich sie nach wie vor als Ausnahmesituation wahr und es bleibt die Ungewissheit, was die Zukunft bringt. Etwas wird über Corona hinaus bleiben: Die Leute haben sich angewöhnt, ihr Busticket über die Fairtiq- oder SBB-App zu kaufen. Die Kasse wird deshalb weiterhin vermehrt digital klingeln und unseren Job im Fahrercockpit etwas ruhiger machen.»